Großstadt - Kangals 

HSH sind in den Ländern, in denen sie keine Tradition haben, eher Exoten. Das liegt daran, daß ihr Handling eben nicht so einfach ist und man schon etwas mehr an Erziehungsarbeit hat als bei „normalen“ Hunderassen. Auch passen sie nicht unbedingt in die Großstadt oder ein Reihenhaus. Beim Kangal sieht das etwas anders aus. Basierend auf der großen Anzahl der bei uns lebenden Türken, die oft im Nationalhund Kangal ein Stück Identifikation mit der Heimat suchen, gibt es in  Deutschland eine weitaus höhere Zahl dieser Hunde als in vergleichbaren Nachbarländern wie etwa Österreich, Frankreich oder der Schweiz. Leider ist es so, daß diese Tiere oftmals in problematischen Hund / Halter – Konstellationen leben und leider ist es auch der Fall, daß sie aus ebendiesen Gründen zunehmend die Tierheime bevölkern. Der Umstand, daß sie nicht gerade einfach zu vermitteln sind, macht sie dann oft zu Dauergästen in den Einrichtungen des Tierschutzes. Daraus erklärt sich die verhältnismäßig hohe Zahl der Hunde in deutschen Tierheimen, die als Kangal geführt werden, Tendenz steigend.

Kangal-Mix beim Festival in Sivas

Beschäftigt man sich mit den Ansprüchen, Haltungsbedingungen, Eigenschaften dieser Hunde, wird schnell klar, daß sie nicht in jede Umgebung passen. In einer deutschen Innenstadt ist ein Kangal eindeutig fehl am Platz und wird aller Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang zu Problemen führen, die nicht selten mit der Trennung vom Hund enden. Es ist schwer zu vermitteln, wenn die Hunde mit Einbruch der Dämmerung in lautstarkes und langanhaltendes Gebell verfallen, wenn der Nachbar seinen Feierabend geniessen will. Ein Revier, welches der Hund haben sollte, um seinem natürlichen Territorialtrieb nachkommen zu können, dürfte hier auch schwer zu finden sein, Kangals sind weder Wohnungshunde noch kann man sie durch Spaziergänge auslasten. In der Folge hat man unausgeglichene Hunde, die durchaus problematisch werden können. Meist erfolgt das Erwachen seitens der anfangs euphorischen Halter mit Einsetzen der Pupertät, der Ausbildung des Territorialverhaltens und dem damit verbundenen Gebaren allem vermeintlich Eindringendem gegenüber. Ein Revier kann auch durchaus eine Straße werden, die man täglich langspaziert oder eben die Hundewiese.

Bei uns gehaltene Kangals haben nicht die Aufgaben aber auch nicht die Freiheiten, wie das an anatolischen Herden der Fall ist. Sie sind bei uns oftmals Statussymbole, wurden unüberlegt angeschafft, man informierte sich nicht ausreichend über die Rasse oder die „Züchter“ versprechen das Blaue vom Himmel.  Auf der anderen Seite existiert ganz offensichtlich eine Nachfrage nach diesen Hunden auch bei uns und diese wird seit Jahren mit steigender Tendenz bedient. Dabei legt man logischwerweise das Augenmerk nicht auf die Zucht oder Erhaltung eines Arbeitshundes, sondern es spielen völlig andere Faktoren eine Rolle. An Herden arbeitende Hunde sind in Deutschland die absolute Ausnahme, dafür treffen wir sie um so öfter in den Städten an.

... wird in der Türkei als BSD bezeichnet

Basierend auf dem Trend im Heimatland, in welchem die Kangals auch zunehmend arbeitslos werden und somit neue mehr oder weniger schlechte Aufgaben bekommen, gibt es auch bei uns den Drang, immer größere und schwerere Tiere zu züchten, zu kreuzen wäre wohl der bessere Ausdruck. Schulterhöhe und Gewicht sind mittlerweile zu einem entscheidenden Kriterium geworden, ein völlig sinnloser Umstand, der auch andere HSH – Rassen erfasst hat, wenn sie ihre Arbeitsgrundlage verloren haben und nicht mehr an der Herde funktionieren müssen. Um nun in dieser Richtung erfolgreich zu werden, mußte man sich etwas einfallen lassen. Man mixte dem Kangal also eine Rasse unter, die ihm recht ähnlich ist, aber wesentlich größer und mächtiger wird. Prädesteniert dazu schien der Malak (Anatolische Mastiff) bzw. dessen Mischungen. Dabei war es unerheblich, daß diese Hunde nie Herdenschutzhunde waren und auch einen völlig anderen Selektionshintergrund haben. Den Malak beschreibt Onur Kanli hier. Das Ergebnis ist ein mächtiger beiger Hund, der auf den ersten Blick eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Kangal hat, beim genaueren Hinsehen allerdings einige Unterschiede aufweist, molossoider wirkt und auch bezüglich des Wesens divergieren kann. All das stört nicht weiter, denn einen verbindlichen Standard für den Kangal gibt es noch nicht und man kann sich dessen sicher sein, daß man mit so einem Hund allgemeines Aufsehen erregen wird. Damit ist eines der Hauptkriterien einer großen  Interessentengruppe erfüllt. Der Großteil der hier lebenden Kangals ist dann auch weit davon entfernt, als reinrassig bezeichnet werden zu können, da sie aus genau diesen türkischen Quellen stammen. Dies stört die zahlreichen Vermehrungsstätten allerdings nicht, ihre Hunde als reine Kangals an den Mann zu bringen. Nachprüfen kann man ohnehin nichts, es gibt in der Regel weder Stammbaum oder Papiere, der gegenwärtige Standard des „Anatolischen Hirtenhundes“ lässt einen weiten Spielraum und eigentlich will man es auch gar nicht so richtig wissen, denn Schulterhöhe und Gewicht sind beachtlich und das zählt.

Damit kommen wir zum nächsten Kapitel, der Zucht der Hunde in Deutschland.