Wieviel "Herdi" ist im Streuner?
Die Straßenhunde stellen in der Türkei eine nicht kleine Population dar. In jeder Stadt, in fast jedem Dorf sind sie anzutreffen. Alle Farben und Formen sind vorzufinden, ihre Anzahl passt sich dem jeweiligen Umfeld an, das heißt, findet sich viel Futter, gibt es mehr Hunde, ist das Futter rar, findet man weniger. Sie sind mal mehr, mal weniger beachtet. Steht das Gebiet unter Aufsicht eines Tierschutzvereins, ist das Überleben gesichert. Nun geben Sie eben einem solchen, vom Tierschutzverein betreuten Straßenhund ein neues Zuhause. Das ist eine wundervolle Sache und wir sind glücklich über jeden Hund, den wir in einem gesicherten und liebevollen Zuhause wissen. Denn das ist für den Hund das Wichtigste! Nach kurzer Zeit im neuen Heim, den ersten Besuchen bei Tierarzt und Hundeschule stellen sich die Neubesitzer irgendwann das erste mal die Frage „Was steckt denn für eine Rasse in meinem Hund?“
- Straßenhündin in Istanbul
Sie haben sich bewusst für einen Hund aus dem Tierschutz entschieden, bewusst für einen Hund, der vor seinem Glück, ein Zuhause zu finden, sich selbst überlassen war oder dessen Elterntiere selbständig für sein Überleben sorgen mussten. Wenn Sie Ihren Hund einer Rasse zuordnen möchten, dann sollten Sie sich für ein Tier vom Züchter oder Abgabehunde aus dem Tierheim entscheiden, bei welchen man die Herkunft einigermaßen nachvollziehen kann. Bei einem Hund, der von türkischen Strassen stammt, ist eine Rassezuordnung so gut wie unmöglich. Was möglich ist, ist Ihnen Eindrücke und Erklärungen zu vermitteln, die Sie Ihren Hund besser verstehen lassen.
Regel Nummer 1: Nur der Stärkste überlebt! In der Türkei finden sich kaum kleine Straßenhunde. Die Größe beginnt ab ca. 40 cm. Die Begründung ist relativ einfach, die kleineren überleben die Stärke der Größeren nicht. Diese sind überlegen. Das Leben als Straßenhund ist hart. Ohne menschliche Unterstützung werden von einem Wurf Welpen nur die gesündesten und stärksten überleben. Welpen mit Krankheiten, Behinderungen oder auch nur mit einem schwachen Immunsystem sterben. Hat das Muttertier zu wenig Milch, überlebt der Welpe, der sich am energischsten zur Zitze arbeitet.
- auch er ist ein Streuner
Regel Nummer 2: Nur der Stärkste überlebt! Im Junghundalter ändert sich nichts. Wer zuerst Futter findet, wer sein gefundenes Futter am besten zu verteidigen weiß, der wird überleben. Der Körper, der die manchmal schmerzhaften Erfahrungen eines neugierigen Junghundes am besten ohne Antibiotika und Cremes regeneriert, wird seine Gene auch zukünftig weitergeben können.
Regel Nummer 3: Nur der Stärkste überlebt! Für das tägliche Überleben ist der Hund zwingend auf eigenständiges Denken und Handeln angewiesen und darauf, sein Territorium zu verteidigen. Fehlen diese Eigenschaften, ist er nicht überlebensfähig. Die Hunde sind untereinander sehr sozial, aber die tägliche Futtersuche ist keine Frage der gegenseitigen Rücksichtnahme, sondern wieder einmal die des Überlebens.
In den allermeisten Fällen sind kleine Rudel aus 4 bis 6 Hunden anzutreffen. Jedes Rudel beherrscht sein eigenes Territorium. Dringt ein anderer Hund in das Territorium ein, sei es zur Futtersuche oder zur Paarungszeit, wird er alles andere als freundlich begrüßt. Nicht selten finden blutige und lange Kämpfe statt. Ältere Rüden sehen oft aus, als hätten sie eine Karriere im Kampfring hinter sich.
- die blaue Ohrmarke bedeutet, der Hund ist geimpft und kastriert - eine Maßnahme der Kommune
Sie haben nun einen Hund aus einem solchen genetischen Baukasten erworben. Mit natürlichen, teils weniger domestizierten Verhaltensweisen, die dem beschriebenen Wesen eines Hirtenhundes gleichen. Als er zu Ihnen kam, waren Sie der Meinung ein beschützenswertes Wesen vor sich zu haben, das zum Überleben dringend auf Ihre Hilfe angewiesen ist. So ist es auch. Aber eben nicht nur das. Ihr Hund ist auch ein knallharter Überlebenskünstler, mit allen Charaktereigenschaften die dazu nötig sind. Die Enkel Ihres Hundes werden diese Eigenschaften schon nicht mehr ausgeprägt zeigen. Bis dahin sollten Sie lernen, Ihren Hund zu lesen, sich mit den natürlichen, mitunter etwas anderen Verhaltensweisen beschäftigen, als Sie das von unseren modernen Rassen gewohnt sind. Und Sie sollten die Rassezuordnung vergessen, auch wenn Ihr Hund gelb ist und eine schwarze Maske hat.
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